Ein Unfall und ein sterbendes Kind. Ein Bauer, der einen Schuldigen sucht,
und ein Mann ohne Erinnerung. Tykwers Film beginnt rätselhaft, fragt nach
dem Verhältnis von Schuld und Gedächtnis, Schicksal uns Verantwortung.
Wuchtige Kamerafahrten über schneebedeckte Berge scheinen auf der Suche
nach einem Geheimnis, als verdeckten die Eiskristalle eine mystische Wahrheit.
Der Sog dieser Bewegung führt in eine Villa in einer Wohngemeinschaft, in
die Intimität zweier Paare. 'Winterschläfer' behält den dramatischen Gestus,
zeigt Beziehungsgeplänkel, Streit und Versöhnungen mit einem formalen Aufwand,
der in keinem Verhältnis zum Erzählten steht und schnell beliebig wirkt.
Dabei gelingt es dem Film nicht, den Bogen zu schlagen, hin zu den Themen,
die er anfangs aufgeworfen hat.
... Tykwers Bilder bewegen sich am Rand des Manierismus, er übertreibt
manchmal, er will zuviel gleichzeitig. Und doch werden diese Einwände
weggewischt von der Erkenntnis, daß hier ein Regisseur souverän mit
Bildern umgehen kann, und trotzdem seiner Story und seinen Darstellern
vertraut. Tykwerist frei von den üblichen Skrupeln, er will unterhalten,
er hat keine Angst vor Gefühlen, und er ist dabei keiner, der nach
Hollywood schielt. Sein Film sieht nicht deutsch und nicht amerikanisch
aus, sondern europäisch. Unwahrscheinlich, daß Tykwer den Spuren von
Wolfgang Petersen oder Roland Emmerich folgt, er könnte dabei nur verlieren.
... Das wirkt, als habe Tykwer nach allen umherliegenden losen Enden gegriffen
und so lange an ihnengezupft, bis sie in sein - optisch wieder beeindruckendes -
Finale paßten. Und das ist schade, denn anderthalb Stunden war 'Winterschläfer'
auf dem Weg zum Vorzeigefilm des Deutschen Erzählkinos. So ist er nur eine
Talentprobe des Tom Tykwer. Aber was für eine.
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