Sie müssen bereit sein etwas zu tun, was gewöhnliche Menschen nicht tun würden...
Suzanne Stone ist ein typisches All-American-Girl, eine junge, extrem ehrgeizige
und nicht minder attraktive Frau, deren Leben von einem einzigen wundervollen
Traum bestimmt ist - dem Traum von einer strahlenden Karriere im Fernseh-Rampenlicht.
Für die Erfüllung dieses Plans ist Suzanne kein Weg zu beschwerlich und keine
Aktion zu ungewöhnlich. Den Chef des lokalen Senders WWEM überzeugt sie im
Handumdrehen und erhält den Job. Ihrem Gatten Larry schmeckt die Sache gar
nicht. Er ist der Meinung, Frauen sollten im Haushalt Karriere machen. Die
Situation zwischen beiden eskaliert von Tag zu Tag mehr. Niemals würde Suzanne
ihren glamourösen Medien-Job aufgeben. Eher würde sie über Leichen gehen - selbst
über die ihres Mannes! [Covertext]
Suzanne Stone aus Little Hope will ins Fernsehen. Dank ihrer Hartnäckigkeit
schafft sie es jedoch, einen kleinen Posten beim lokalen Fernsehen zu ergattern.
Ehemann Larry ist davon weniger begeistert. Er würde seine Frau viel lieber öfter
in der Küche sehen. Als er Suzanne damit konfrontiert, reagiert diese ungehalten
und beschließt, Larry kurzerhand umbringen zu lassen. Der Mörder soll ihr neuer
Lover Jimmy sein, ein Problemkind aus der Nachbarschaft. Regisseur Gus van Sant
kehrt mit dieser bitterbösen Mediensatire zu der Brillanz seiner früheren
Meisterwerke 'Drugstore Cowboy' und 'My Private Idaho' zurück. Nicole Kidman
('Batman Forever') gibt als Suzanne Stone die Vorstellung ihres Lebens und Matt
Dillon ('Der Kuß vor dem Tode) steht ihr in nichts nach. In der wichtigen
Nebenrolle als Teenie-Lover begeistert River Phoenix' Bruder Joaquin. Eine
grandios-zynische Komödie mit echtem Kultpotential. [VideoWoche]
Mit dem erfreulichsten Comeback des Jahres meldete sich Gus Van Sant beim
diesjährigen Filmfestival von Cannes in die Riege der Top-Regisseure zurück.
Eine echte Überraschung, denn nach dem kolossalen Fehlschlag von 'Even Cowgirls
Get the Blues' hatte keiner mehr mit dem angeschlagenen Underground-Heroen
gerechnet. Ironischerweise ist es Van Sants erste Arbeit für einen Major (in den
USA Columbia), die den erklärten Independent-Kämpen zu jener Brillanz zurückführt,
die 'Drugstore Cowboy' und 'My Private Idaho' zu Meisterwerken werden ließ. Ein
Paradox? Nicht unbedingt, denn Van Sant ließ keine Abstriche zu. Dank des etwas
höheren Budgets (um die zehn Mio. Dollar) wirkt die pechschwarze Mediensatire über
eine moderne Hexe, die für ihre Karriere buchstäblich über Leichen geht, runder
und professioneller als die vorangegangenen Werke. Ansonsten hat sich Van Sant
seinen Sinn für Poesie, Anarchie, ungewöhnliche Strukturen und subversiven Humor
bewahrt. Damit bietet er eine perfekte Spielwiese für Nicole Kidman, der nach dem
wenig anspruchsvollen Auftritt als sexy Kleiderständer in 'Batman Forever' mit der
Rolle des All-American-Girl Suzanne Stone eine Oscar-Nominierung fast sicher ist.
Sie bietet eine Knock-Out-Performance! Ein Hauch von 'Serial Mom' umweht 'To Die
For', wenn sie einer fleischgewordenen Barbie-Puppe gleich hinter der Fassade
ihres kleinbürgerlichen Universums aus Zahnpastareklamelächeln und Pastellfarben
einen völligen Mangel an Mitgefühl für ihre Umwelt aufblitzen läßt. Als ihr
gutmütiger Mann (Matt Dillon in einer augenzwinkernden Nebenrolle) sich gegen
ihren beruflichen Aufstieg im Fernsehen sperrt, plant Sonnenscheinchen Suzanne
seinen Tod. Sie erschleicht sich das Vertrauen dreier unterprivilegierter
Heavy-Metal-Kids, macht den verklemmten Jimmy (River Phoenix' Bruder Joaquin)
zu ihrem Lover und verlangt den Mord als Liebesbeweis. In der Art eines
dokumentarischen Flickenteppichs breitet Van Sant rückblickend die faszinierende
Chronik des Verbrechens anhand von Interviewsequenzen, gefälschten TV-Ausschnitten
und Spielszenen aus. In den Händen eines anderen Regisseurs hätte das bitterböse
Drehbuch von Starsatiriker Buck Henry leicht eine wenig reflektierte
Gesellschaftsschelte werden können, in der die Figuren zu bloßen Karikaturen
verkommen. Van Sants alles überragender Humanismus und Sympathie für seine Figuren
nimmt Henrys Zynismus die Grausamkeit, ohne ihn jedoch zu entschärfen. Die Liebe
zu den jugendlichen Underdogs ohne Chance in der Gesellschaft ist es einmal mehr,
die Van Sants Arbeit so bemerkenswert macht. Nach Junkies und Strichern sind es
jetzt White-Trash-Kids, vor denen er den amerikanischen Traum wie eine Seifenblase
zerplatzen läßt. Trotz aller Tragik bleibt 'To Die For' eine Komödie zum
Mitschmunzeln. Dafür sorgen auch die italienischen Familienmitglieder von
Suzannes Ehemann, die sich der Killerin in bester sizilianischer Manier annehmen.
In den USA zunächst lustlos laufend verschoben, wird 'To Die For' jetzt nach dem
Erfolg von Cannes ein aussichtsreicher Großstart am 15. September zuteil. Die Moral
könnte Gus Van Sant gefallen: Auch ein häßliches Entlein kann sich zum blendend
schönen Schwan entwickeln. [ts. Blickpunkt Film]
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