Jeder ist Lulu verfallen. Als Sinnbild der Verführerin reißt sie alle um
sich herum in den Abgrund: Der ältliche Dr. Goll, der mittelmäßige
Kunstmaler Schwarz, ihr "Ziehvater" Dr. Schön und die lesbische Gräfin
Geschwitz - alle erliegen ihrer Schönheit und bezahlen mit ihrem Leben.
Basierend auf der Vorlage von Frank Wedekind hat Regisseur Uwe Janson
nach eigenem Drehbuch einen der schillerndsten Stoffe der Theaterliteratur
neu verfilmt. Janson hat das Drama, das in einer deutschen Stadt, in Paris
und in London spielt, in ein einziges Gebäude verlegt: das Leben als Hotel.
Von Akt zu Akt jedoch wechselt der Raum, verändert sich das Ambiente und
schlüpft ein neuer Look aus dem anderen. Aufstieg und Fall des faszinierenden
und verführerischen Mädchens Lulu, symbolisiert durch einen irrlichternden
Wandelgang durch ein "Hotel absurd", der sein unentrinnbares Ziel unterm
Dachbalken sucht und findet. In Jansons Interpretation ist Wedekinds
Verführerin nicht eine reine Projektionsfläche für Männerphantasien.
Lulu erscheint als mißbrauchtes Kind, das geliebt werden will und es
nicht lassen kann, seine Magie zu entfalten. Doch die Macht ihrer
Verführungskunst hat einen Preis. Lulu zerbricht an der Unmöglichkeit
der Liebe und verwandelt sich von der verführerischen, reichen Dame in
eine Prostituierte der Straße. So schließt sich der Kreis und Lulu kehrt
in die Gosse zurück, aus der sie gekommen ist. Jessica Schwarz in der
Titelrolle verführt ihr Publikum mit einem Minenspiel, das sich zwischen
abschätzig-dominant und kindlich-zerbrechlich bewegt. Mit ihrer rauchigen
Stimme moduliert sie die Wedekindsche Sprache betörend, ohne je exaltiert
zu klingen. Sylvester Groth als atemlos gehetzter Dr. Schön, der Lulu von
der Straße geholt, sie erzogen und zu seiner Geliebten gemacht hat,
changiert fließend zwischen Faszination und Begehren auf der einen und
Abscheu und Abwehr auf der anderen Seite. [ZDF]
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