Tanzen bis zum Umfallen.
Das "Coyote Ugly" gilt als der "hottest spot" in Manhattan. Zu Recht. Wer auf exzessive
Bar-Erlebnisse steht, kommt hier voll auf seine Kosten. Aber Vorsicht: Wer einen
Cocktail und nicht Whisky pur ordert, ist yuppie-verdächtig und wird erst einmal kräftig
mit Soda-Wasser abgeduscht. Bei dröhnender Rock-Musik peitscht die Show, die das
durch und durch weibliche Bar-Personal hinter und auf der Theke veranstaltet
(Feuerspucken, Wet-T-Shirt-Contest, GoGo-Dance mit anschließendem Stage-Diving
in die grölende Männerhorde) die Fantasie der Gäste auf Hochtouren.
Alles nur die Hollywood-Fantasie eines Films? Nein, denn das Vorbild für die Bar
und ihre unerschrockenen Keeperinnen existiert wirklich (Downtown New York Ecke
9. Straße, First Avenue), und in ihrer einmaligen Mischung aus Hafenarbeitern
und Börsianern ist sie wohl wirklich die "wildeste Bar Amerikas", wie das Magazin
"GQ" schrieb. Auch Hollywood wurde auf das "Coyote Ugly" aufmerksam: Produzent Jerry
Bruckheimer (The Rock, Con Air, Armageddon) witterte einen großen Filmstoff. "Diese
Bar ist wie eine Party," sagt er, "eine der besten Partys, auf denen du je gewesen
bist, mir großartiger Musik, Tanz und fröhlichen Menschen. Bist du alleine, wirst du
dort Freunde finden und es ist immer was los."
Da er sich aber auch bei seinen bisherigen Projekten nie mit männlichen
Kinozuschauern alleine zufrieden gegeben hat, ist "Coyote Ugly" nicht nur eine heiße
Männerphantasie, sondern die romantische Story eines modernen Aschenputtels - und
eine der berührendsten Liebesgeschichten der letzten Zeit.
Die 21-jährige Violet zieht vom biederen New Jersey und ihrem besorgten Vater Bill
nach New York, um als Sängerin Karriere zu machen. Bei einem Talentwettbewerb stellt
sie fest, dass sie vor großem Publikum vor leuter Lampenfieber keinen Ton herausbekommt.
Nachdem sie bei jeder Plattenfirma abblitzt und auch noch Einbrecher ihre Wohnung
auf den Kopf gestellt haben, ist die bereit, jeden Job anzunehmen. Ihre Qualifikation
für das "Coyote Ugly" fasst die toughe Chefin Lil knapp zusammen: "Du siehst aus wie
eine Kindergärtnerin. Das werden die Jungs mögen". Natürlich ist Violet das Treiben
dort anfangs zu wild. Aber ihr imponieren die "Coyotes", wie sie liebe- und
ehrfurchtsvoll genannt werden, die die Männerhorde an der Theke mit einem
Selbstbewusstsein um den Finger wickeln, das Violet selbst auf der Bühne nur zu gut
gebrauchen könnte. Und so werden die vier Powerfrauen mit den unterschiedlichsten
Persönlichkeiten zum unschlagbaren Team. Im Mittelpunkt steht "der Boss" Lil, deren
Regeln eisern zu befolgen sind. Neben ihr verkörpert Zoe, die das Trinkgeld in
astronomische Höhen treibt, "das Gesetz", die allzeit flirtbereite Cammie gilt
als "der Engel" und Stimmwunder Violet als "die Träumerin". Oberste Maxime der
Girls: Tu so, als seist du zu allem bereit, aber sei nie zu haben...
Nur ihr Freund Kevin ist nicht glücklich, wenn Violet abend für abend die Bar
zum Toben bringt. Zwar lernt sie, ihre Hemmungen abzulegen und singt sogar
vorversammeltem Publikum. Doch Kevin lässt nicht locker und erinnert sie an
das, was sie ursprünglich wollte: Violet kam nicht nach New York, um als Barfrau
berühmt zu werden, sondern sich ihren Traum von der Songwriter-Karriere zu erfüllen.
Zwar dauert es etwas, doch schließlich kommt sie, mit Hilfe ihres Freundes, doch
noch auf den richtigen Trip und schafft den Sprung vom harten Thekenjob zum Start
einer seriösen Sängerinnen-Karriere.
Der romantische Hauch von "Flashdance" (übrigens auch eine Bruckheimer Produktion)
umweht das Rock-Bar-Märchen von Kino-Debütant David McNally, das ganz stark die
Handschrift seines Produzenten trägt. Jerry Bruckheimer sorgt dafür, dass "Coyote
Ugly" unseren Bluthochdruck ebenso auf Touren bringt wie eines seiner Action-Spektakel:
lautstarkes Um-die-Wette-Trinken statt Schießereien, artistischer GoGo-Dance statt
Verfolgungsjagten. Und wenn Johm Goodman am Ende seinen Dinosaurier-Körper auf
die Theke stemmt und rhythmisch zucken lässt, löst das im Kinosaal mehr Emotionen
aus als das spektakuläreste Explosions-Feuerwerk. [Heiko Neumann]
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