Paris. Ein belebter Boulevard. Morgen. Ein junger Mann, Jean, wirft eine zerknüllte
Kuchentüte in die geöffneten Hände einer Bettlerin. Ein anderer, Amadou, ein
Farbiger, protestiert gegen diese Art von Verachtung. Es gibt eine heftige
Auseinandersetzung, in die sich auch Anne einmischt, die Jean eben getroffen
hatte. Amadou verlangt eine Entschuldigung; Jean weigert sich, Maria, die
Bettlerin, versucht zu entkommen. Die Polizei macht kurzen Prozess und nimmt
Amadou und die Bettlerin mit.
Dieses - in einer einzigen Einstellung gedrehte - Ereignis ist der Knoten, mit
dem der Regisseur Michael Haneke die Lebensfäden unterschiedlichster Menschen
miteinander verknüpft.
Jean, der Junge mit dem Papier, ist vom Bauernhof seines Vaters nach Paris
ausgerissen und will seinen Bruder Georges besuchen, der mit der Schauspielerin
Anne zusammenlebt.
Amadous Familie stammt aus dem Senegal. Er ist Musikpädagoge an einem
Taubstummen-Institut und macht mit den Kindern eine auch für sie hör- und fühlbare
wunderbare Musik. Die Eltern sind sehr konservativ und korrekt; sie sehen Amadous
weiße Freundin nicht gerne. Der Vater fährt Taxi. Seine kleine Schwester ist
taubstumm; ihretwegen hat er diesen Beruf gewählt.
Maria, die Bettlerin, kommt aus Rumänien. Von ihrem erbettelten Geld sollen
die Häuser für die anspruchsvollen Töchter gebaut werden. Maria verliert ihren
Bettelplatz, wird ausgewiesen und kehrt bald wieder zurück nach Paris zu ihrem
demütigenden Beruf.
Jeans und Georges Vater ist Landwirt, der keinen Sinn mehr in seiner Lebensarbeit
sieht. Nachdem der ältere Sohn schon in einen anderen Beruf geflüchtet und
Bildreporter geworden ist, will auch Jean auf keinen Fall den Hof übernehmen.
Anne ist dabei, Karriere zu machen. Der Beruf ist ihr Lebensinhalt, für Privates
hat sie wenig Zeit; Georges ist als Kriegsfotograf ohnehin selten im Land. Sie
will auch zunächst nicht wahrnehmen, dass in der Nachbarwohnung ein Kind ständig
geschlagen wird. Georges interessiert sich dafür wenig: Ein Riss geht durch ihre
Beziehung. Bei der Probenarbeit gerät sie in psychische Grenzsituationen, die
Folgen haben: Sie ändert ihren Code am Display der Haustür. Als Georges wieder
von einem seiner Kriege zurückkommt, bleibt die Tür für ihn verschlossen: "Code
unbekannt".
Michael Hanekes Film wurde im Wettbewerb in Cannes uraufgeführt. Ohne
Sozialromantik, ohne jede Sentimentalität zeigt er Situationen, bei denen man
sonst gerne wegsieht. Dennoch ist es kein pessimistischer Film: Würde und Mut
haben ebenso ihren Platz in diesem in sich geschlossenen Episodenfilm, den
Juliette Binoche, Sepp Bierbichler und viele hier ganz unbekannte Schauspieler
eindrucksvoll gestalten und "den man ein Meisterwerk zu nennen man sich nicht
zu scheuen braucht". [ZDF]
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