Dora ist eine ehemalige Schullehrerin. In Rios Hauptbahnhof, der Central Station,
bessert sie ihre karge Rente auf, in dem sie für Analphabeten Briefe schreibt -
eine Tätigkeit, die sie mit einem nicht endenden Strom unterschiedlichster
Gesichter und Schicksale konfrontiert. Den oft tragischen und unglücklichen
Lebensgeschichten, die sich in den Briefen offenbaren, begegnet Dora mit
Stoizismus - und einer großen Schublade, in der sie einen nicht unerheblichen
Teil der Post unabgesendet verschwinden lässt, während sich die Absender in dem
Gefühl wiegen, ihre Nachricht habe sich auf den langen Weg an den Empfänger gemacht.
Eines Tages wird Dora unfreiwillig zur Ersatzmutter des neunjährigen Jungen Josué.
Kurz zuvor waren der kleine Kerl und seine Mutter bei ihr gewesen, um einen Brief
an Josués Vater aufzugeben, der irgendwo im Nordosten des riesigen Landes lebt und
seinen Sohn nicht kennt. Dann wurde die Frau Opfer eines Verkehrsunfalls. Der
verwaiste Josué, der keine Angehörigen in Rio hat, streift ziellos zwischen
Reisenden und Passanten umher, verbringt seine Tage und Nächte in der Bahnhofshalle,
bis sich Dora seiner annimmt - nicht ganz selbstlos, denn sie bringt das Kind
zunächst bei einer zweifelhaften Adoptionsstelle unter, wo sie für den Jungen
einen Batzen Geld erhält. Doch schnell besinnt sie sich eines Besseren, holt
den Jungen zurück und begibt sich mit ihm auf die lange Reise ins Unbekannte,
zu seinem Vater...
"Ein Triumph von Form und Gefühl.
... "CENTRAL STATION" ist ein Film von großer Zärtlichkeit und kluger Eloquenz.
Er konzentriert seine Kritik an Brasiliens sozialpolitischen Verhältnissen in einer
anrührenden Meditation über die Erneuerung von Identität und Familie in einer
Gesellschaft, die durch Zynismus und Eigeninteressen zerrissen ist". Rebecca
Yeldham, Sundance Film Festival Walter Salles' (geboren am 12. April 1954 in Rio
de Janeiro) gefühlvolles Roadmovie erhielt bei den 48. Internationalen
Filmfestspielen Berlin 1998 einen "Goldenen Bären" als "Bester Film" und einen
"Silbernen Bären" für die beste weibliche Hauptdarstellerin, Fernanda Montenegro.
Salles' letzter Film, der dieses Jahr im Wettbewerb von Cannes lief, "Diarios de
Motocicleta" (Motorcycle Diaries), wie "Central Station" ein "Roadmovie", erzählt
von der langen Reise durch Südamerika, die der Medizinstudent Ernesto Guevara, der
berühmte Che, 1952 mit einem Freund unternahm.
Der Regisseur selbst über "Central Station": "Da waren einige Themen, die ich
einbringen wollte, doch vor allem der Wunsch, dass die Menschen kommunizieren
sollen, um ihre Emotionen und Gefühle auszudrücken, und manchmal ihre Unfähigkeit,
dies zu tun. ... Auch das Thema der Suche ist sehr wichtig. ... Seit den Griechen
beschäftigt uns die Idee, an den Ort zurückzukehren, von dem wir kommen, um zu
verstehen, wer wir sind. Das ist der innigliche Wunsch des Jungen, doch beide
entdecken nicht nur die Familie am Ende des Films, sondern die Bedeutung von
Freundschaft und gegenseitigem Verständnis." [ZDF]
"Bei ihrer Busreise über 5000 Kilometer gelingt es Salles, zugleich Land und
Leute zu porträtieren. Ein lakonisches Road Movie um die Suche nach der eigenen
Identität, eine Irrfahrt der Liebe, mit kauzigem Humor sowie zwei brillanten
Darstellern." [Die Welt]
"Einer der absoluten Höhepunkte der Berlinale. Die Melancholie, die dichte
Bildersprache, die schauspielerische Leistung, die offene Emotionalität machen
aus diesem Film ein kleines Meisterwerk." [Filmecho]
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