Im 41. Jahrhundert wird eine Agentin der Erdregierung auf einen fernen Planeten
entsandt, um dort einem verbrecherischen Wissenschaftler das Handwerk zu legen. Dies
mag nach einer Science-Fiction-Variante von James Bond klingen, ist jedoch der
Ausgangspunkt für einen der schrägsten Fantastik-Streifen überhaupt. Zunächst basiert
Barbarella auf dem gleichnamigen Comic-Strip des Franzosen Jean-Claude Forest. Der
erfand 1962 seine spärlich gekleidete Heldin, um einen satirischen Gegenpol zum
Weltraum-Haudegen Flash Gordon zu schaffen und um gleichzeitig Erwachsene für Comics
zu begeistern. Das erreichte er durch eine gehörige Portion Sex. Und tatsächlich
steckt Jane Fonda (Klute, Barfuß im Park) in der Titelrolle ihre 30 Jahre später
auftretende "Konkurrentin" Barb Wire (Pamela Anderson Lee) mit Leichtigkeit in die
Tasche. Regisseur Roger Vadim (... und immer lockt das Weib, Gefährliche Liebschaften),
in derlei Sujets durchaus geübt, tat ein Übriges, dem Film eine schwül-erotische Note
zu verleihen und seine damalige Ehefrau ins rechte Licht zu rücken. Die Kostüme und
Dekors schwelgen in psychedelischem Plüsch und Lackleder, ganz im Geschmack des
Entstehungsjahres 1967. Die Figuren sind so seltsam wie es nur eben geht: Fleisch
fressende Puppen, ein blinder Engel, ein sexuell verklemmter Revolutionär. Die
Besetzung ist voller Sixties-Flair: David Hemmings, Star aus Blow-Up und Top-Model
Anita Pallenberg haben Hauptrollen, als Bonbon taucht der berühmte Pantomime Marcel
Marceau auf: ohne Schminke und mit Text. [Pressetext]
Barbarella ist ein Rundumschlag an Klischees und Übertreibungen, oft kitschig,
manchmal nicht ganz geschmackssicher. Die Effekte sind verständlicherweise auf
Kasperletheaterniveau: 2001 - Odyssee im Weltraum mit seinen revolutionären
Raumschifftricks lag noch zwei Jahre in der Zukunft. Auf jeden Fall ist er ein
Stück knallige Kulturgeschichte, und die knackige Weltraumagentin wäre eine
Traumpartnerin für Austin Powers. [Alexander Röder]
Vorbei sind die Zeiten, in denen es noch Menschen gab, die einen Film einfach wegen
seiner Idee oder seiner charakterlichen Darbietung mochten und liebten. Vorbei sind
die Zeiten, in denen es noch Spaß bereitete, einen Freitagabendfilm, völlig unverfälscht
und auch vollkommen unvoreingenommen zu genießen, und sich die erfahrenen Glücksgefühle
zu bewahren und zu verinnerlichen. Durch die heutige Medienlandschaft werden solche
Gefühle durch berauschende Specialeffect-Überflutung niedergeknüppelt, und die
Wertschätzung eines Filmes konzentriert sich auf die technisch beste Darbietung. Bei
einem Film wie "Barbarella", der noch aus der guten alten 60er Jahre Popkultur stammt,
ist es möglich diese alten Werte nocheinmal aufleben zu lassen. Den heutigen Standards
entsprechend muß man zugeben, die Specialeffects muten eher wie Puppenkiste an, und das
Ambiente gleicht einer mittelmäßigen Theatervorstellung. Doch das ist es nicht, was
diesen Film so besonders macht! In einer Zeit wie der unsrigen, in der sexuelle
Leidenschaft etwa so besonders ist wie Kaffeetrinken, kann man sich kaum mehr vorstellen,
wie es war, dies als Außergewöhnliches zu genießen. In "Barbarella" wird man in eine
Zeit zurückversetzt, in der dies noch außergewöhnlich war, ja in dem es sogar möglich
war, die Gefühlserwartungen einer ganzen Generation hineinzupacken. Was heute wohl als
belanglose Internet-Sado-Maso-Darbietung gebracht würde, gereichte hier noch dazu,
tiefste Leidenschaften der Menschen zu ergründen. Jane Fonda als hinreißend,
unerfahrene und vollkommen unschuldig anmutende Schönheit (die noch heute ihres
Gleichen suchen kann), kämpft sich mit Leidenschafts- und Begierdenerfahrung durch das
herrlich niederträchtige Wesen der Menschen; bekämpft es und genießt es gleichermaßen,
und gibt so wieder, was die dahmalige sexuelle Revolution hervorbrachte, und was zu
dieser Zeit Thema Nr.1 war: Die Tiefen der geheimen menschlichen Begierden. Barbarella
durch dieses Szenario zu begleiten, umrahmt mit erotisch-plüschigen Sci-Fi-Details,
und letztlich auch durch die herrlich glättende 60er Jahre Musik, machen diesen Film
zum absoluten Genuß, ebenso wie er heute zu einem unumwundenen Kultfilm geworden ist.
Wer für Zirka anderthalb Stunden einmal die Überflut der Medienberieselung zu vergessen
vermag, der sollte sich die Zeit nehmen und sich von "Barbarella" gefühlvoll in die
60er Jahre versetzen lassen. An dem Genuß dieses Filmes sollten sich Filmemacher aller
Coloeur ein Beispiel nehmen, und Filme weniger planen, sondern sie einfach machen.
Dann kann man einen Film auch wieder richtig genießen. Und wer heute noch in der Lage
ist sich verzaubern zu lassen, der darf sich "Barbarella" auf keinen Fall entgehen
lassen. Enjoy Barbarella!!! [Falk.O.]
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